Blumen
Am meisten Staunen ließ uns das florale Feuerwerk aus Gebirgsblumen. Zwischen dem Sonnengelb von Arnika und Gemswurz leuchtete das intensive Pink der Bartnelken hervor. Die Alpenrosen arrangierten sich mit dem gelben Eisenhut und dem sanften Blau der Kornblumen. Dazwischen schaukelte das Taubenkropf-Leimkraut sanft im Wind; liebliche Margariten und stolz aufragende violette Kratzdisteln gesellten sich dazu. An einer Türkenbundlilie zählten wir 14 Blüten und die übergroßen Wollkratz-Disteln reizten uns, ihre kugelförmigen Blüten vorsichtig zu berühren. Immer wieder lugten zwischen den Felsen kleine Blütenkissen hervor und ließen das Grau erstrahlen und leuchten. In einer Vielfältigkeit und Harmonie präsentierten sich uns Farben und Formen, wie sie kein Gärtner der Welt hätte schöner anlegen können.
Wege
Viele unserer Wege waren derart bunt geschmückt. Und traten die Blumen in den Hintergrund, erfreuten wir uns an dem satten Grün von Pechwurz und Sauerampfer, die hüfthoch standen und unsere Schritte unsichtbar werden ließen. Hatten wir den Bergdschungel durchstreift, ging es weiter auf Wurzelpfaden oder Schotterwegen. Geschliffener Kalkschotter oder dunkelbraune kleine Felsplatten wie aus dem Baumarkt, luden ein, sie als Erinnerungsstücke in den Rucksack zu packen, was wir angesichts des Gewichtes doch besser bleiben ließen. Und die vielen kleinen Bäche, die wir überquerten, waren stets eine willkommene Abwechslung. Sie füllten unsere Trinkflaschen oder schwemmten den Staub von unseren Wanderschuhen. Langeweile kam beim Gehen keine auf. Mal ging es hinauf, dann wieder hinunter, mal ging es links am Berg vorbei, mal rechts. Einige Gipfel und Grate wollten bergsteigerisch erklommen werden und mancher Wald verschaffte uns wohltuende Kühle.
Geschichte
Vergammeltes Holz, rostiges Blech, tiefe Gräben in der Erde und aufgeschichtete Steinmauern erinnerten uns stets daran, auf welchen geschichtsträchtigen Wegen wir unterwegs sind. Die Vorstellung, dass an diesen stillen und schönen Orten Menschen in Kälte, Hunger und Angst ausharrten, aufeinander schossen oder gar ihr Leben verloren, ließ uns frösteln. Unvorstellbar und mehr als hundert Jahre her ist dieser Wahnsinn - und doch angesichts unserer aktuellen Weltlage leider kein Ereignis, das nur in der Vergangenheit liegt. Umso mehr schätzten wir, dass wir nur mit einem Schritt von Italien nach Österreich wechseln konnten und dass anstatt Grenzzäunen weiße Steinpflöcke standen, auf denen skizziert war, wie die heutige Grenze zwischen den beiden Ländern verläuft.
Gruppe
Die schmalen Wege und die Erinnerungen an den ersten Weltkrieg, aber auch das Staunen und Bewundern der Natur, ließen uns oft sehr still hintereinander gehen und bedacht unsere Schritte setzen. Aber Eindruck braucht Ausdruck – heißt es so schön – also war natürlich auch Gequassel, Gelächter, Austausch über Pflanzennamen oder über die Schönheiten der Karnischen Berge an der Tagesordnung. Und bei den Vesperpausen saßen wir einträchtig beieinander wie die sieben Zwerge. Sogar einen runden Geburtstag konnten wir feiern mit Gugelhupf, Kerzen, Wiesenblumen und einem Ständchen von Klaus. Belohnt wurden wir dafür mit einem spendierten Schnäpschen. Abends gings vor und nach dem Essen auch spielerisch ans Punkte sammeln. Dix points plus drei Nullen war das Ziel unserer Würfelrunden. Glück und Pech wechselten sich ab, es gab viele „Aaaahhh’s“ und „Oooohhh’s“ zu hören….. und es muss ein gut gehütetes Geheimnis bleiben, wer am häufigsten verloren hat.
Hütte
Auf den Hütten ließ es sich gut sein. Jede von ihnen hatte sich ein wunderschönes Fleckchen Erde als Standort ausgesucht und ihr eigenes Flair. Mal ursprünglich und sehr gemütlich, mal renoviert und eher bequem. Manche von ihnen boten viel Platz, andere wiederum waren besetzt bis auf den letzten Platz. Auf der Zollernseehütte gab‘s Austria-Pop live zum Mitsingen, die Wolayerseehütte beeindruckte mit großen Panoramafenstern und Blick auf den See sowie einem Show-man als Pächter. Eines hatten sie aber alle gemeinsam: nette und freundliche Hüttenwirte, darunter auch viele junge Frauen. Das Essen war vielseitig und üppig und die gut gefüllten Bäuche warfen immer wieder die abendliche Frage auf „Dürfen wir jetzt schon ins Bett?“.
Wetter
Die ersten drei Nächte waren wir mehr als froh, gut in einer Hütte untergebracht zu sein, schlug doch das Wetter so manche Kapriole. Wind, Regen und Gewitter zogen abendlich über die Dächer und der dritte Morgen begrüßte uns mit Schnee-gezuckerten Gipfeln. Kann das möglich sein? Als wir zuhause den Rucksack packten, hatte es mehr als dreißig Grad und Handschuhe und Mütze mitzunehmen, geschah schon fast widerwillig. Es schien, als wollte der Wettergott testen, wie gut wir ausgestattet waren, denn sobald wir gut eingehüllt in Regenkleidung aus der Hütte traten, fielen noch ein paar Tropfen – und das war‘s! Dann wechselten sich meist Sonne und Wolken ab. Jacken wurden ausgezogen, kurze Hosen angezogen, Sonnenbrillen aufgesetzt und Beanies gegen Schildmützen getauscht. Die hatten auf manchen Passagen und bei starken Windböen ein unsicheres Leben – doch keine ging glücklicherweise verloren. Hart erwischt hatte es uns dann doch noch in der letzten Stunde unserer Tour. Ein Gewitter direkt über uns und ein Hagelschauer, der auf uns niederprasselte, ließen unsere müden Beine im Spurt Richtung Bergstation in Nassfeld laufen. Gut aufgehoben und erleichtert, dass alles gut gegangen war, schmeckten dann Kaffee und Strudel umso leckerer.
Berge
Ja, die Berge haben ihre eigenen Gesetze. Das hatte unsere Wanderwoche mal wieder bestätigt. Bei schönem Wetter konnten wir uns nicht satt sehen und drehten uns mehrmals um die eigene Achse, damit wir alles Beeindruckende um uns herum erfassen konnten. Im Osten ließ der Triglav seine Mächtigkeit erkennen, nicht weniger imposant ragten die Drei Zinnen auf und die Hohen Tauern gaben ihre Höhe durch schneebedeckte Gipfel preis. Am Fuße der Felsriesen von Königswand, Hoher Warthe oder Porze zogen unsere Wege entlang und wir mussten den Kopf in den Nacken legen, um ihre Grate und Gipfel zu sehen. „Das hätte schon noch seinen Reiz, da hoch zusteigen …“, ging dabei manchem von uns durch den Kopf. Es schmälerte jedoch nicht unsere Freude, niedrigere Gipfel wie Pfannenspitze und Köderspitze erklommen zu haben. Gestaltete sich das Wetter zweifelhaft und zeigten sich die Gipfel in einer Nebelhülle oder trieben gar dunkle Wolken am Himmel, fühlten wir uns in den „unteren Stockwerken“ eh wohler.
Tiere
Apropos Wohlfühlen: die vielen Tieren, die wir beobachten konnten, waren in ihrem Element. Murmeltiere sonnten sich auf den Felsen und warnten eifrig mit ihren unverkennbaren Pfiffen. Kühe begutachteten uns neugierig, ließen sich graulen oder schleckten das Salz von unserer Haut. Pferde und Esel grasten friedlich nebeneinander und genossen sichtlich ihre Freiheit und den Bergsommer auf der Alm. Eine Schneehühnerschar, mindestens 12 an der Zahl, tippelte aufgeregt einen Wiesenhang hinauf; und eine einzelne Schneehuhn-Mutter war ein Stück weiter mit ihrem Küken unterwegs. Das Gras war so hoch, dass das Küken nur zu sehen war, wenn es einen kleinen Hopser machte. An einem Grenzübertritt lagen unter dem Zaun zwei vertrocknete Frösche einträchtig nebeneinander. Wir bedauerten sie und vermuteten, dass sie wohl keinen gültigen Ausweis bei sich hatten und deshalb nicht passieren konnten. Gleich zu Beginn unserer Tour präsentierte ein Falke mit schnellem Flügelschlag oder einfach im Wind stehend sein Können. Am beeindruckendsten jedoch erlebten wir die Könige der Lüfte. Steinadler zogen majestätisch ihre Kreise und ließen erahnen, wie groß ihre Spannweite ist und dass sie nicht ohne Grund so genannt werden. Sie zu beobachten, machte schon fast demütig. Wir hätten stundenlang zusehen können. Gingen wir an Flussläufen entlang oder führte uns der Weg durch Wälder, wurden wir stets durch wohlklingendes Gezwitscher und lieblichen Vogelgesang begleitet.
Begegnungen
Begleitet haben uns auch sympathische Menschen. Wer in die gleiche Richtung zog wie wir, war spätestens auf der nächsten Hütte wieder anzutreffen. Ein Grinsen, ein Zunicken, ein Austauschen über den Tag oder ein Beraten angesichts einer unsicheren Wetterlage brachte uns miteinander ins Gespräch. Elena und Etienne konnten zudem ihr Würfelglück unter Beweis stellen und die beiden Bremer Mädels erfragten beim Abschied noch die Handynummer von Klaus. Man wisse ja nie, wer oder was noch auf der Agenda stehe oder wann es sie wieder in den Süden verschlage. Den Namen des verschmitzten Tschechen haben wir leider nicht erfragt. Gelegenheit hätte es genug gegeben, hatte er uns nicht nur einmal mit seinen leichten und zügigen Schritten überholt. Aber ein Foto mit ihm zusammen bleibt zur Erinnerung.
Reisen
„Go light, go fast“ war unsere Devise beim Packen. Nur das Notwendigste fand im Rucksack Platz. Ebenso minimalistisch wollten wir auch an- und abreisen. Daher buchten wir die verschiedensten Öffis, um bis ins Lesachtal zu kommen, bzw. um vom Gailtal wieder die Heimfahrt anzutreten. Manches funktionierte prima, manches erforderte Geduld. Und trotzdem hinterließ diese Entscheidung ein gutes Gefühl und hat gezeigt, dass vieles möglich ist, wenn der Wille dazu vorhanden ist.
So, nun sind die „dix points“ zusammengetragen und beschrieben. Der Karnische Höhenweg – kurz KHW 403 genannt – wurde seinem Ruf, wunderschön und erlebnisreich zu sein, mehr als gerecht. Wie schön, dass wir dieses highlight zusammen erleben konnten.
Ein großes DANKE!!! an Klaus, der diese Idee hatte, der die Tour organisierte und uns mitgenommen hat.
Andrea, Birgit, Gisela, Marita, Tommy und Christine
Unsere Tour im Überblick:
Tagesetappen Gehzeit ca. km hm↑ hm↓
Tag 1 Leckfelder Alm – Sillianer Hütte 1,5 Std. 3,21 511 0
Tag 2 Sillianer Hütte – Obstansersee Hütte 5 Std. 9,88 583 718
Tag 3 Obstansersee Hütte – Neue Porze Hütte 6 Std. 13,74 751 1102
Tag 4 Neue Porze Hütte - Hochweißsteinhaus 6 Std. 22,91 922 774
Tag 5 Hochweißsteinhaus- Wolayersee Hütte 7 Std. 17,66 1088 1025
Tag 6 Wolayersee Hütte – Zollernsee Hütte 11 Std. 29,82 1785 2012
Tag 7 Zollernsee Hütte - Nassfeld 8 Std. 26,76 1109 1367
gesamt 44,5 Std. 123,98 6749 6998