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Skitourengruppe unterwegs in den Lechtaler Alpen

Schritte und Schwünge im Schnee – spitz und steil

„Ich bin Klaus, aber eigentlich bin ich Hubert“, das ist der erste Lacher von vielen auf unserer Skitour im Lechtal und zugleich die Antwort unseres Guides Hubert auf die Frage der Gastwirtin Roswitha, wer denn nun der Kopf unserer Gruppe sei. Klaus hat sich unglücklicherweise am Vortag verletzt und Hubert ist zu unserem großen Glück kurzfristig eingesprungen. So sind wir die nächsten fünf Tage unter seiner kompetenten Führung unterwegs.

Das erste Ziel, der „Kalte Stein“, liegt unserer Unterkunft in Kelmen direkt gegenüber. Er zeigt sich tatsächlich erst von seiner kalten Seite und lässt uns dann im steilen Zick-Zack-Spitzkehrenweg ins Schwitzen kommen. Bald verlassen wir den Waldgürtel und gehen in einer leichten Senke der Sonne entgegen, bis ein Plateau den Gipfelhang freigibt. Den Blick eine Viertelumdrehung weiter nach links, entdecken wir eine Aufstiegsspur, die ein Könner wie mit einem Lineal in den Hang gezogen hat. Sie verliert sich in einem felsigen Grat. Sonne und Stille dringen in uns ein; wir genießen, wir lachen, wir sind angekommen in unserer Auszeit. Von einer kleinen Hütte schaut nur der Giebel heraus und macht (un-)sichtbar, wie viel Schnee es hat. Das erste „Berg heil“ am Gipfelkreuz ist verbunden mit Faszination, denn wir sehen Berge, Grate und Rinnen soweit das Auge reicht. Wir gucken uns eine Tour für die nächsten Tage aus und lutschen nebenbei ein Schwizer Schokolädli.

Etwas ruppig geht’s bergab, aber schon der folgende Schattenhang belohnt uns mit luftigem Schnee und die Ski ziehen wie von selbst ihre Kurven. Ab der Baumgrenze heißt die Parole: „Ducke sich, wer kann“ oder „Fahre eine Kurve, wenn dir ein Baum oder kein Baum im Wege steht“, denn es gibt keine Abfahrt, der wir folgen können und wir fühlen uns wie in einem Labyrinth. Auf der Sonnenterrasse dampfen unsere Füße und bei Radler und Kaffee hat jeder ein Erlebnis zu erzählen, z.B. „mir hat es fast den Helm gelupft, so hab ich geschwitzt!“

Abends genießen wir leckeres Essen und wir machen Bekanntschaft mit unserem Wirt Martin. Dem lacht der Schalk aus den Augen und mit ihm werden wir noch viel Spaß haben. Nachts ist es mondhell und selbst zu später Stunde thront die Namlose Wetterspitze zum Fenster herein.

Nach gutem Frühstück steht die Königsetappe, der Tschachaun, mit 1150 hm Aufstieg auf dem Programm. Wir fahren die kleine Straße nach Namlos, durch Schneeschalten, wie wir sie von alten Fotos her noch kennen. Ein schmales Tal empfängt uns mit morgendlicher Kühle und ein kleiner Bach plätschert sanft vor sich hin. Er ist noch eine ganze Weile unser Begleiter, mal geht er auf Abstand, mal drängt er sich nah an uns heran; mal ist er vor lauter Schnee kaum sichtbar, mal präsentiert er sich offen und zugänglich. In unserer Gruppe ist es ebenso. Manche gleiten mit ihren Ski besinnlich vor sich hin, andere genießen die breite Traktorspur, die der Wildfütterung dient, für eine Unterhaltung. Wir Frauen schmunzeln über unseren Gang. Welcher zwei-Meter-Riese und hundert-Kilo-Kerl hat diese Spur angelegt? Nach etwa einer Stunde blinzelt uns die Sonne an und lässt die großen Schneekristalle glitzern wie Swarovskisteine. Sie reizen mich, sie mit dem Skistock auffliegen zu lassen. Der Gipfel steht nun groß und mächtig über uns; seine steile Flanke sieht nicht einladend aus und wir schleichen uns mithilfe langer Traversen, gepaart mit Spitzkehren, von der Seite aus an. Endlich hat uns die Sonne wieder in ihrer Umarmung. Wir hätten gerne noch mehr von ihrer Wärme, denn der Gipfelhang ist sehr verfahren und es hat leider noch nicht aufgefirnt. Das wird ein Spaß – oder auch nicht!? Unter uns liegt tief verschneit die Anhalterhütte. Ein Wegweiser in Kniehöhe hatte sie am Taleingang schon angekündigt. Zwei abfahrende Tourengeher haben ebenfalls eine Ankündigung für uns: am Gipfel sind soeben große Brocken einer meterbreiten Wechte abgebrochen, d.h. Vorsicht! Und links halten! Dementsprechend herrscht am oben am Kreuz eine Gefühlsmischung aus Freude, den langen, aber abwechslungsreichen Aufstieg geschafft zu haben und ein bombastisches Panorama zu genießen; aus Unbehagen, beim Blick auf die weggebrochene Aufstiegsspur und aus Dankbarkeit, dass Hubert mit Argusaugen auf uns aufpasst und unsere Gruppe so kompetent führt.

Diese Gefühle nehmen wir mit talwärts. Der Gipfelhang bereitet, wie erwartet, wenig Fahrspaß. Aber ab dem ersten Schattenhang ruft Hubert „Fahrt frei!“ und jeder zieht juchzend seine Spur. Bei solchen Verhältnissen könnte man zu einem kleinen Kind werden, mit dem der Papa „Flieger“ spielt und das bettelt „Nochmal, bitte nochmal!“ Wir halten uns an den Ratschlag des Tourenführerbuches und fahren bzw. rutschen (am Abend muss ein Skistock ersetzt werden) linksseitig des Baches ab. Talauswärts kapiere ich, warum die Spur am Morgen so breit war: es ist zugleich die Abfahrtsspur, die uns in rasantem Tempo zurück zum Parkplatz führt.

Die Radler hauen heute ganz schön rein und Martin empfängt uns mit eigens für uns gebackenem Topfenstrudel. Die Stücke sind so riesig, dass wer zuerst hungrig und gierig war, beim Abendessen schwächelt und über ein Völlegefühl jammert. Wie war doch vorhin der Vergleich mit kleinen Kindern? Anscheinend verjüngen Skitouren im Lechtal um Jahrzehnte. Aber psst!.... Nicht weitersagen!.... Sonst ist es vorbei mit der Ruhe am Berg! Später am Abend nimmt die Stimmung mit Kartenspiel und Schnäpschen noch an Fahrt zu, wobei der Männertisch den Frauentisch mit Geplapper übertrifft (mal so nebenbei erwähnt).

Für den nächsten Tag hat Hubert einen Südhang auf den Plan geschrieben: die Hintere Steinkarspitze sowie eine Überraschungsaufgabe am Nachmittag. Wir gehen direkt an der Unterkunft los, mal auf dem Wanderweg, mal steiler und direkter durch den Wald. Zwischen das Schleifen der Ski auf dem gefrorenen Schnee mischen sich Jammertöne und schwere Atemzüge. Trotzdem erreichen wir nach etwa einer Stunde das Kelmer Jöchl und fellen erst mal ab, denn wir wollen lieber ein paar lässige Schwünge in Powder machen als einen Hang seitlich  queren. Jeder zieht euphorisch seine Spuren. Von unten sieht es aus, als hätten wir eine Sahnetorte verziert und wir scherzen, ob wir nicht lieber den Hang fünf Mal rauf und runter sollen, als den langen Gipfelhang in Angriff zu nehmen. Aber das war nicht der Plan und so schrauben wir uns mit Entlastungsabständen Kehre für Kehre und Bogen für Bogen nach oben. Jeder schiebt abwechselnd links – rechts -  links - rechts vor sich hin. Mal ist es heiß, mal geht ein frischer Wind. Spaß fühlt sich irgendwie anders an. Meine Beine funktionieren irgendwann wie ferngesteuert und mein Kopf ist leer. Nur Beppo, der Straßenkehrer, aus der Geschichte „Momo“ fällt mir ein. Auf die Frage, wie er eine so ewig lange Straße kehren kann, deren Ende er nicht mal sieht, antwortet er: „Ein Schritt, ein Wisch, ein Atemzug!“. So mache ich es auch und endlich ist es da, das Gipfelkreuz, und alle Mühen scheinen vergessen. Wir schauen und staunen, wir spaßen und posieren vor der Kamera. Kreative Köpfe basteln aus Ski und Stöcken ein Stativ. Wir trinken Tee und naschen Schokolade und Hubert, der erfahrene Fuchs, guckt sich eine interessante Tour für den nächsten Tag aus.

Über hart gefrorenes Gelände mit Schneekugeln und gemeinen Rillen geht es hinunter. Die Ski rattern wie eine alte Eisenbahn, und Kraft und Technik sind gefragt. Springe wer kann, um die Fahrtrichtung zu wechseln! Die Querpassage vom Aufstieg lassen wir auch auf dem Rückweg aus und genießen stattdessen lieber nochmals Nordhang-Pulver. Dann heißt es nochmals auffellen, bevor es im Waldgürtel Richtung Kelmen hinunter geht. Auch hier ist wieder alles an fahrbarem Untergrund dabei. Als die Gruppe in aufgefirntem Schnee um junge Tannen fährt, sieht es von oben aus, als würden bunte Gnome durch den Wald huschen, um möglichst schnell in einem Erdloch zu verschwinden. Wir können fast bis zur Haustüre fahren und stapfen direkt zum wohlverdienten Radler.

Diese Stärkung brauchen wir auch, denn die angekündigte Überraschung heißt „Verschüttetensuche!“. Das bedeutet für uns: Sammeln von Informationen, Diskussion, Zertrampeln eines Schneefeldes, Graben von Löchern und Warten hinterm Bierlaster, bis Hubert zwei LVS-Geräte versteckt hat. Dann wird die Zeit gestoppt und es geht weiter mit Grobsuche, Feinsuche, Sondieren und Schaufeln. In 16 Minuten haben wir beide „Verschütteten“ gefunden und ausgegraben. Hubert ist zufrieden mit uns und fügt noch ein paar Verbesserungsvorschläge an. Jedem ist bewusst, wie wichtig diese Übungen sind, auch wenn sie wenig Spaß machen. Und jeder wünscht sich, dieses Wissen nicht anwenden zu müssen. Umso beruhigter sind wir, dass jeder in Gruppe schon derartige Trainings mitgemacht hat und im Notfall handeln könnte. Nun ist es kalt, wir sind müde und erschöpft und brauchen eine heiße Dusche und Energie. Die kommt mit dem Essen und mit lustigen Kartenspielen wieder. Und Martin tut das Seinige mit spendierten Schnäpsen dazu.

Tag vier beginnt mit dem Aufstieg zur Schlierewand. Wieder empfängt uns ein kleines Tal. Etwas unterhalb verläuft ein Bach, den wir nicht immer sehen, aber dessen Plätschern und Gluckern wir stets hören können. Unseren Weg säumen junge Fichten. Ihre Spitzen sind umgebogen und sie tragen schwere Schneehüte. Ob sie sich im Frühjahr wieder aufrichten können? Wir verlassen den Waldweg und steigen steiler auf. Manche Spitzkehren folgen so schnell aufeinander, dass sie zum Tanz auf Ski werden. Die Sonne blitzt immer wieder durch die Bäume und wirft ein bezauberndes und gemütliches Licht auf uns. Abertausende Tannenzapfensamen säumen den Weg. Wo mag er uns hinführen? Die Antwort haben wir kurze Zeit später vor Augen. Eine Schrägfahrt oberhalb einer Rinne führt uns zum langen und breiten Gipfelhang. Mit Entlastungsabständen steigen wir im Zick-Zack hinauf. Es ist still am Berg, schon fast meditativ. Die Felsen des Gipfelaufbaus kommen näher und wir erreichen über letzte steile Meter das Skidepot.

Genau diese Steilheit gibt uns für eine schneidige Abfahrt den richtigen Speed. Immer wieder unterbrechen wir die fantastische Abfahrt, denn wir wollen möglichst lange im absoluten Flow-Genuss bleiben. An unserem Treffpunkt, einer sonnenbeschienen Kuppe, fallen uns sämtliche Adjektive ein: super, genial, bombastisch… . Und obwohl wir für das Wort „geil“ eigentlich zu alt sind, finden wir es besonders zutreffend. Im Wald verlieren wir uns ein wenig und wieder einmal heißt es „Kopf einziehen und Helm voraus!“ Am Gegenhang zeigt uns ein großes Rudel Hirschkühe, wie geschicktes Bergab-Rennen geht. Zurück in Kelmen säumen - wie die Tage zuvor - unsere aufgereihten Tourenski die Terrasse wie für einen Werbespot.

Abends geht’s noch einmal hoch her. Inzwischen können alle das Kartenspiel „Schwimmen“ und jeder muss sich mal von seinen drei Leben im Spiel verabschieden. Martin lässt uns nicht ohne ein Schnäpschen schlafen gehen und dann fallen wir müde, aber zufrieden ins Bett.

Am nächsten Morgen müssen wir uns wirklich von Kelmen und den Gastwirten verabschieden. Aber das Lechtal ist nicht aus der Welt und wer weiß – vielleicht kommen wir ja schon bald wieder!? Wir peilen von Rauth aus das Galtjoch an. Die Sonne macht heute ungewohnt Pause und hat stattdessen Nieselregen geschickt. Die Regenjacken baumeln über den Rucksäcken und die Sonnenbrillen bleiben verstaut. Ein Trost ist die Ebenbichler Alm, die uns auf halber Höhe erwartet und die uns zur Einkehr einlädt. Kaiserschmarren, Hirschwurst, Suppe und ein warmer Kachelofen halten uns fest. Der Blick nach draußen mit Schneeregen und Nebel wirkt alles andere als einladend und manch einer nickt schon im Sitzen weg. So entscheiden wir uns für die Abfahrt, worüber keiner so richtig traurig ist, denn unsere Bäuche sind so sehr gefüllt, dass wir kaum die Skischuhe schließen können.

Erfüllt und ein wenig traurig zugleich verabschieden wir uns am Parkplatz. Die fünf Tage werden uns in bester Erinnerung bleiben. Sie machen uns ein klein bisschen reicher. Diese Zufriedenheit sowie die vielen schönen Erlebnisse verbinden uns Tourengeher und wir sind uns sicher, dass wir nicht das letzte Mal miteinander in den Bergen unterwegs waren. Ein herzliches Danke ergeht nochmals an Hubert, der maßgeblich die unvergesslichen Momente ermöglichte.

 

Herzliche Grüße von Christine an Annette, Birgit, Gisela, Helga, Marion, Hubert, Martin, Hannes, Thomas, Andrea und Tommy und ganz besonders an Klaus, den wir alle Tage auf unseren Touren und unseren Herzen mitgenommen haben.